Faszination Weltall – der Urknall, das Sonnensystem, die Astronomie, eine der ältesten Wissenschaften, die immer noch von Männern dominiert wird. Dass sich dies ändert, dafür sorgt eine neue Generation von Frauen, die sich für eine offene und vielfältige Kultur in der Wissenschaft einsetzt. Eine davon ist Dr. Chae Kyung Sim, leitende Forscherin am Korea Astronomy and Space Science Institute, die sich vor allem als Vermittlerin zwischen dem Universum und der Welt sieht. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen und ihre Begeisterung für die Astronomie und darüber, dass alle Menschen aus Sternen gemacht sind.
Ein halbes Jahrhundert ist vergangen, seitdem der Mensch zum ersten Mal den Mond betreten hat und noch immer gibt es eine grosse Faszination für das Mysterium Mond. Was fasziniert die Menschen so sehr an diesem Himmelskörper?
Schon vor Tausenden von Jahren wollten die Menschen etwas über den Mond erfahren. Seit ein paar Jahren verfügen wir nun über die entsprechenden Ressourcen ihn zu erforschen, und während des Kalten Krieges war dies ein Mittel, um mit der Überlegenheit der wissenschaftlichen Technologie zu prahlen. Derzeit laufen zahlreiche Experimente auf dem Mond. Darunter auch Forschungen darüber, ob aus Mondboden Ziegel oder Beton hergestellt werden können. Das bedeutet, dass wir erstmal auch über eine Bebauung des Mondes nachdenken. Er fühlt sich eher wie eine Erweiterung der Erde an als ein Himmelskörper im Weltraum. Man könnte sagen, dass die Internationale Raumstation erheblich dazu beigetragen hat, die menschlichen Aktivitäten ins All zu erweitern.
Aus der Sicht einer Astronomin. Was ist der Reiz des Mondes?
Das Schöne an der Erforschung des Mondes ist, dass ich meiner Familie und meinen Kindern mein Forschungsobjekt zeigen kann. Die einzigen Astronom:innen, die das können, sind die, die den Mond erforschen. Die Sonne ist zu hell, und andere Sterne kann man mit blossem Auge nicht sehen. Sie sind nur helle Flecken. Auf dem Mond aber kann man sogar Krater sehen. Das ist ein besonderes und sehr persönliches Erlebnis.
Wollten Sie schon einmal selbst zum Mond fliegen?
Nein, überhaupt nicht. Es ist zu gefährlich, in den Weltraum zu fliegen. Das ist die Aufgabe von Astronaut:innen, nicht von Wissenschaftler:innen. Wenn Daten aus dem Weltraum gesendet werden, können wir sie auf der Erde intensiv genug studieren. Wenn aber meine Sicherheit und Gesundheit in Zukunft gewährleistet wären, würde ich gerne einmal zum Mond fliegen, einfach schon aus dem Grund, um von dort aus die Erde zu sehen.
Was sind derzeit die wichtigsten Themen in der Astronomie?
In den letzten Jahren war die Beobachtung des Schwarzen Lochs ein grosses Thema. In dem Film „Interstellar“ gibt es ein Bild eines Schwarzen Lochs, aber da es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung keine tatsächliche Erkenntnisse gab, war es keine tatsächliche, wahrhaftige Nachbildung des Lochs. Momentan schickt uns das James-Webb-Weltraumteleskop viele Fotos aus dem Weltraum, die die Menschheit noch nie gesehen hat. Wir finden Hinweise darauf, dass es unterirdische Ozeane auf den Monden von Jupiter und Saturn geben könnte. Es ist wichtig, solche Dinge auch in Zukunft zu erforschen. Es gibt weltweit nicht viele Länder, die sich einer solch anspruchsvollen Aufgabe stellen können. Korea ist eines von ihnen.
Was möchten Sie als Forscherin und als Mensch zur Gesellschaft beitragen?
Ich möchte eine respektable Astronomin werden. Schliesslich habe ich auf dem Weg dorthin von der Gesellschaft und meinem direkten Umfeld viel finanzielle und emotionale Unterstützung erhalten. Damit diese Investition nicht umsonst war, möchte ich eine gute, wenn nicht sogar eine grosse Astronomin werden.
Was würden Sie jungen Frauen sagen, die eine Karriere in der Astronomie anstreben?
Das Feld der Astronomie ist offen. Man muss nicht unbedingt Astronomie studieren, und man kann sogar schlecht in Mathe sein. Wenn ich mir meine Kolleg:innen anschaue, sind alle wirklich sehr unterschiedlich. Auch ich habe keinen ausgeprägten wissenschaftlichen Hintergrund. Ich habe nicht im Ausland studiert, und ich habe Kinder. Aber ich habe es geschafft. Zuallererst müssen Sie daran glauben, dass Ihnen die Tür offensteht. Dann werden Sie feststellen, dass sie auch offen ist.
Wie hoch ist der Anteil an Frauen in dem Team, in dem Sie derzeit arbeiten?
Wenn man das gesamte KASI (Korea Astronomy and Space Science Institute) betrachtet, liegt er bei etwa 10 Prozent. In unserer Generation gibt es schon mehr Frauen als in der vorangegangenen. Wir haben sogar eine 80-jährige Astronomin im Team, können Sie sich das vorstellen?
Eine 80-jährige Astronomin?
Das ist zwar selten, aber in Korea gibt es viele Menschen, Astronom:innen, die auch nach ihrer Pensionierung noch forschen oder sich mit ähnlichen Tätigkeiten einbringen. Dass es sie gibt, ist eine grosse Unterstützung. Auch die wissenschaftliche Gemeinschaft verändert sich allmählich. Die KASI hat z.B. einen Frauenrat. Die Koreanische Astronomische Gesellschaft und die Koreanische Gesellschaft für Weltraumwissenschaften bieten während wissenschaftlicher Konferenzen Kinderbetreuung an. Ich denke, in Zukunft wird es noch besser werden.
Sie sind so positiv. Wenn man das Universum betrachtet, ist das menschliche Leben so kurz und mag sogar bedeutungslos erscheinen.
Es gibt ein Sprichwort: „Wir alle sind Sternenstaub“, was darauf hindeutet, dass wir unbedeutende Wesen sind. Aber für Astronom:innen ist jedes Staubkorn im Universum grossartig und wertvoll. Ich möchte, dass Sie bei diesem Spruch auch darüber nachdenken, wie dieser Staub entstanden ist, was er durchgemacht hat und wie er in unser heutiges Sonnensystem, auf die Erde und in unsere Nähe gekommen ist.
Es heisst ja auch, dass wir alle von den Sternen kommen und zu den Sternen zurückkehren werden.
Das ist kein metaphorischer Ausdruck, sondern kommt der Wahrheit wissenschaftlich sehr nahe. Das Universum ist ein ständiger Kreislauf. Sterne werden erschaffen, explodieren und werden verstreut; irgendwann kommt der verstreute Staub wieder zusammen und wird zu einem Stern. Die Sonne könnte in der Vergangenheit ein anderer Stern gewesen sein. Zusammen mit der Sonne entstand das Sonnensystem, und die Erde wurde geboren. Verschiedene Lebensformen erschienen und verschwanden auf der Erde. Wenn ich daran denke, dass ein einziges Staubkorn 13 Milliarden Jahre Geschichte und kosmische Bewegung enthält, verfalle ich nie in Skepsis.
Bei Akris feiern wir Women with Purpose. Warum glauben Sie an einem Sinn, ein Ziel im Leben?
Eine „Bestimmung“ im Leben zu haben, ist ein Geschenk für jeden. Dazu müssen Sie auf Ihre innere Stimme hören und etwas finden, das Sie glücklich macht.
Das vollständige Interview mit Dr. Chae Kyung Sim erschien in der April 2024 Ausgabe von Vogue Korea in Zusammenarbeit mit Akris.
Credits:
In Zusammenarbeit mit Vogue Korea
Fotograf: Sujin Kim
Mitwirkende Redakteurin: Meehye Lee
Mode-Redakteurin: Dahye Kim